Problemmanagement: Kann ITIL 4 das Problem endlich beheben?
Wir haben Ihnen ITIL 4 bereits vorgestellt. Und Sie sind wahrscheinlich wie wir zu dem Schluss gekommen, dass es (noch) nicht perfekt ist. Aber wie geht ITIL 4 mit dem Problemmanagement um? Wir freuen uns Ihnen diesen Gastartikel von Branchenexperte Stephen Mann zu präsentieren. In diesem Blogartikel teilt er seine Erkenntnisse zum Thema ITIL 4 Problemmanagement mit uns.
Wenn über IT-Servicemanagement (ITSM) gesprochen wird, wird oft das Triumvirat der “IPC-Prozesse” – Incident-, Problem- und Changemanagement (oder “Change Enablement”, wie es in ITIL 4 jetzt heißt) – genannt. Die Verwendung dieser drei Buchstaben erweckt jedoch einen falschen Eindruck: Es sieht so aus, als ob Incident-, Problem- und Changemanagement gleichberechtigt sind. Dies entspricht jedoch nicht der Wahrheit: Der Grad der Übernahme von ITIL Best Practice im Problemmanagement ist nicht so hoch, wie er sein sollte. Warum ist dies der Fall?
Problemmanagement erklären
Beginnen wir mit der Tatsache, dass ein “Problem” in der Welt des ITSM etwas anderes ist als der alltägliche Gebrauch des Wortes. Ein Mitarbeiter oder Kunde (Melder) mit einem IT-Problem wird dieses in der Regel nicht als “Incident” bezeichnen; er wird es eher als “Problem” bezeichnen. Und so beginnen wir mit dem Problemmanagement. Schon jetzt steht es auf wackligen Beinen in Bezug auf seine Bedeutung.
Die neuen Best Practice für Problemmanagement bietet die Definition dafür:
„Der Zweck der Problemmanagement-Praxis ist es, die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkungen von Incidents zu reduzieren, indem tatsächliche und potenzielle Ursachen von Incidents identifiziert und Workarounds und bekannte Fehler verwaltet werden.”
Übersetzt heißt dies soviel wie: Problemmanagement verhindert, dass Sie Problems unbekümmert beheben, wenn sie auftreten. Es lässt Sie nach dem zugrunde liegenden Problem suchen, das diese Problems überhaupt erst entstehen lässt. Letztendlich ist Problemmanagement eine Investition von Zeit und Geld, die Ihnen mit der Zeit noch mehr Zeit und Geld spart.
Der aktuelle Stand des Problemmanagements
Wenn Sie 100 IT-Abteilungen fragen würden, ob sie Problemmanagement umsetzen, wären Sie vielleicht angenehm überrascht. Denn immerhin 60-70% tun dies (oder denken es zumindest). Das klingt gut, auch wenn das Problemmanagement hinter dem Incident – und Changemanagement zurückbleibt, wie aus den Daten der HDI-Umfrage unten ersichtlich ist:
Servicemanagement-Prozesse, die von den Organisationen übernommen wurden (gekürzte Liste)
Quelle: HDI, “Technical Support Practices & Salary Report,” (2018)
Eigentlich müssen alle IT-Abteilungen mit IT-Problemen (Incidents) umgehen. Die meisten der „fehlenden” 22% in den oben genannten HDI-Daten sind wahrscheinlich immer noch dabei, IT-Probleme zu verwalten, ohne es „Incidentmanagement” zu nennen. ITIL-affine IT-Abteilungen wissen auch, dass sie einen formellen Mechanismus und die Fähigkeit zur effektiven Verwaltung von Änderungen benötigen. Es ist jedoch weniger wahrscheinlich, dass sie sich gezwungen sehen, Problems – die „Ursache oder potenzielle Ursache eines oder mehrerer Incidents” – gut zu verwalten. Die 40 bis 50% der IT-Organisationen, die keine ITIL Best Practices anwenden, wissen wahrscheinlich sowieso nicht, was Problemmanagement ist.
Aus meiner Erfahrung als ITSM-Praktiker, Berater, Industrieanalytiker und Softwareanbieter weiß ich, dass die Statistik übertreibt, wenn ich Umfrageergebnisse sehe, die besagen, dass 60-70% der Organisationen Problemmanagement betreiben. Denn viele Unternehmen setzen Problemmanagement-Tools und -Techniken immer nur reaktiv ein – meist als Reaktion auf einen Major Incident. Das ist nicht dasselbe wie die aktive Suche nach Ursachen von Problems und der Versuch, sie zu verhindern, bevor sie auftreten. Ich wäre bereit zu wetten, dass der tatsächliche Grad der (proaktiven) ITIL-Problemmanagement-Anwendung nur halb so hoch ist wie in den Umfragen angegeben wird.
Die Ursache für die geringe Akzeptanz des Problemmanagements
Meiner Meinung nach kann und sollte ITIL 4 dazu beitragen, die Akzeptanz des Problemmanagements zu erhöhen, um Proaktivität und die Fähigkeit zur kontinuierlichen Verbesserung und zu besseren Geschäftsergebnissen zu fördern. Um also auf die Frage zurückzukommen, die ich zu Beginn dieses Blogs gestellt habe: Warum ist der Grad der Akzeptanz von ITIL Best Practice im Problemmanagement nicht so hoch, wie er sein sollte?
Das Hauptproblem ist hier, dass der Wert des Problemmanagements nicht ausreichend quantifiziert wird. Ich kann hier sitzen und schreiben, dass das Problemmanagement potenziell eine der vorteilhaftesten ITSM-Fähigkeiten ist. Aber wo sind all die auf Fallstudien basierenden Beweise dafür? Gegenwärtig müssen Unternehmen, die den Einstieg in das Problemmanagement wagen, eher mit einem Vertrauensvorschuss arbeiten, weil ihnen der Return on Investment nicht klar ist. Ich denke, dass die Vorteile definitiv vorhanden sind, aber Unternehmen werden erst dann Problemmanagement umsetzen, wenn sie ihren potenziellen Return on Investment quantifizieren können.
Die neue, „detailliertere” ITIL 4 Best Practice ist jetzt über ein My ITIL Abonnement erhältlich. In dem 35-seitigen PDF zum Herunterladen werden die Vorteile des Problemmanagements und der Return on Investment (ROI) jedoch nicht erwähnt. Hoffentlich wird es eine ergänzende ITIL 4-Publikation geben, die AXELOS den Abonnenten anbietet. Um Ihnen in der Zwischenzeit schon zu helfen, habe ich einige praktische Tipps zusammen gestellt. Diese werde ich Ihnen in einem weiteren Blogartikel zur Verfügung stellen, in dem Sie lernen, wie Sie mit dem Problemmanagement beginnen können und was Sie verbessern können, wenn Sie dies bereits tun.
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